Impressionen von der Studienfahrt des Geschichtsvereins Salzgitter nach Wien

"Der Kongress tagt - Der Kongress tanzt"

1. Tag

Am Montag, dem 27. April 2015, machte sich eine stattliche Gruppe von Salzgitteraner Geschichtsfreunden schon zur Nachtzeit und bei strömendem Regen auf die Reise nach Wien.

Unser Reiseprogramm stand aus Anlass des zweihundertjährigen Gedenkjahres unter dem Thema des Wiener Kongresses. Nahezu einhundert Jahre davor, im Sommer 1713, war die Welfenprinzessin Elisabeth Christine als Deutsche Kaiserin in Wien eingezogen. Auch die Suche nach Spuren dieser weltpolitischen Frauengestalt hat unsere Reisewege mitbestimmt.

Hofburg - Erlebnis am ersten Tag

Stallburg

Bereits nach der Mittagspause - bei Kaiserwetter! - startete die Reisegruppe unter Leitung von Frau Dr. Klössel-Luckhardt zum riesigen Areal der Hofburg, die vom Kolping-Hotel aus fußläufig zu erreichen war. Die Hofburg - eine Stadt in der Stadt, damals politisches Herz der Donaumonarchie, heute weiterhin Machtzentrum der Österreichischen Republik: wir begannen mit einem Besuch in der Schatzkammer, in der neben den Deutschen Reichskleinodien auch burgundische Erbstücke der Habsburger und der Ornat vom Orden des Goldenen Vlieses aufbewahrt werden. Dass die Deutsche Reichskrone ebenso wie das kaiserliche Zeremonialschwert mit der ältesten Wappendarstellung von Kaiser Otto IV. von Nürnberg nach Wien gelangte, ist das Ergebnis einer "Rettungsaktion" vor heranrückenden napoleonischen Truppen. Speziell für unsere regionale Geschichte interessant: der schwere Saphir auf der Österreichischen Krone ist nachweislich ein Huldigungsgeschenk des Braunschweiger Herzogs Heinrich Julius an Kaiser Rudolf II.

In der Hofburglichen Silberkammer konnten wir anschließend einen Eindruck von Pracht und Umfang eines kaiserlichen Haushaltes gewinnen. Die Silberkammer liefert auch heute noch die Ausstattung für Staatsbankette. Einige Trakte weiter weilte gerade (von uns leider unbemerkt) Bundespräsident Gauck als Gast, jedoch ohne Bankett. Die kunstvolle Drapierung der Servietten in Kaiserfaltung (in jeder Rolle steckt ein Knabbergebäck) wird dabei wie ein Staatsgeheimnis weiter tradiert. Der Tag klang individuell aus, auch mal im Fiaker oder mit einer Stärkung im Cafe Demel.

2. Tag

Am folgenden Dienstag hatten wir in der Hofburg immer noch genug zu besichtigen: verschiedenste Epochen und Eindrücke auf räumlichen dichtem Terrain. Im imposanten Saal der Winterreitschule konnten wir uns während des morgendlichen Trainings der Lipizzaner-Pferde mit etwas Phantasie die Menschenmenge und Prachtentfaltung bei den Großveranstaltungen des Wiener Kongresses vorstellen. Bei der "Monsterredoute" vom 2. Oktober 1814 waren dort um 10 000 Menschen versammelt. Die "Redoute paré" eine Woche später war eine etwas exklusivere Veranstaltung mit ca. 5000 Gästen. Über die Reiterspiele, Musikaufführungen und Ballgarderoben gibt es detaillierte Quellen. Wie viele politische Entscheidungen und auch Lauschattacken sich dort angebahnt haben, kann man vielleicht mit Blick auf aktuelle Politikerzusammenkünfte erahnen. Vis-a-vis befindet sich die Österreichische Nationalbibliothek, deren Prunksaal Karl VI., kaiserlicher Gemahl der Elisabeth Christine, errichten ließ. Zwei Paare gewaltiger Säulen bestimmen den Raum und symbolisieren den habsburgischen, damals freilich gerade obsolet gewordenen Anspruch auf die Weltherrschaft in den überseeischen Kontinenten. Die fachkundige Führung von Frau Magistra Smetana interessierte uns sehr, dennoch schauten wir auch gebannt auf die Magaziner, die gerade einige historischen Bücherregale leer räumten, nicht zum Abstauben, wie wir vermuteten, sondern zum Digitalisieren der Codices.

Kapuzinergruft

Josefsplatz

Im Cafe Hofburg, direkt unter den Appartements von Kaiser Franz Josephs und Kaiserin Sissi erwartete uns ein einladendes Fleckchen zum Auftanken, beispielsweise bei einem Kaiserschmarren. In der Bel étage mit den kaiserlichen Zimmerfluchten bleiben uns wohl die Turngeräte der Kaiserin in besonderer Erinnerung, ebenso die bezaubernde, noch aus dem 18. Jahrhunderts stammende Wanddekoration ihrer ehemaligen Garderobe mit exotischen Landschaften und Vögeln. Die letzten Räume der umfangreichen Tour sind als Alexander-Appartement bekannt, weil sie 1814-1815 dem russischen Zar Alexander I. als ranghöchstem Gast als Kongressresidenz dienten. Eine kurzfristige Schlechtwetterfront bot die meteorologische Untermalung für unseren Besuch in der nahe gelegenen Kapuzinerkirche mit der traditionellen Grablege des Hauses Habsburg. Die besonders prachtvollen Sarkophage des Kaiserpaares Karl VI. und Elisabeth Christine stehen einander gegenüber, an den Ecken bei der Kaiserin ein trauernd verhülltes Haupt, bei dem Kaiser ein Totenschädel mit Deutscher Reichskrone.

3. Tag

Nach einer solchen Ballung historischer Schauplätze stand am Mittwoch ein Busausflug ins Wiener Umland auf dem Programm. Das Schlösschen Hetzendorf, nicht allzu weit von Schönbrunn gelegen und heute Modeschule der Stadt Wien, wurde für die verwitwete Elisabeth Christine unter ihrer Tochter Maria Theresia ausgebaut. Nach einem Ausstieg im Ehrenhof konnten wir die erhaltenen Barockräume besichtigen, aber auch die Schüler beim Zeichenkurs beobachten. Danach lockte der frühlingshaft strahlende Schlosspark mit seiner dominanten Platane, über die uns der "Schlossgartenmeister" genau und bereitwillig Auskunft erteilte. Südlich von Wien liegt Laxenburg, ein ruhiges Dörfchen mit einer Reihe von angrenzenden Sommerschlössern und einem riesigen Parkareal. Auch mit dieser Station folgten wir der "Liste der den fremden hohen Gästen zur Besichtigung vorgeschlagenen Sehenswürdigkeiten Wiens und seiner Umgebung" von anno 1815. Ein kleines Bähnchen brachte uns durch idyllisch grünende Wäldchen zum künstlich angelegten Schlosssee. Mit einer heute elektrisierten Handfähre in Pavillonform gelangten wir zur ebenso künstlichen Insel mit dem Refugium des "Kongresskaiers' Joseph in Gestalt einer romantisierenden Ritterburg. Auch der Schrecken dort war inszeniert, mit der Holzfigur eines im Verliesturm schmachtenden Tempelritters, der mithilfe einer mechanischen Vorrichtung an seinen Ketten rasseln kann.

Den Abschluss des Tages bildete eine Einkehr in den Heurigen "Sirbu". Nach zentimetergenauer Auffahrt in die Weinberge kamen wird sozusagen mitten in den Reben vor einem kleinen Weinberghäuserl an, das neben einer herrlichen Sicht auf den Kahlenberg im Norden Wiens auch ein reichhaltiges Buffet bereit hielt. Begannen die aufgetragenen Speisen zunächst noch verhalten mit den traditionellen Aufstrichen, so steigerten sie sich über Schinkenfleckerl hin zur Schlachtplatte mit Kümmelbraten und Blunzen. Im Finale mit Topfen- und Apfelstrudel konnte unsere Gruppe wohl letzteren aber keineswegs mehr den ersten "niederringen".

Hetzendorf

Hetzendorf-Modeschule

Beim Heurigen

Laxenburg I

Laxenburg II

4. Tag

Am Donnerstag den 30. April machten wir uns auf den Weg zur eigentlichen Themenausstellung "Europa in Wien", die in der Schlossanlage des Unteren Belvederes eingerichtet war. Einen Höhepunkt der Präsentation zu diesem Politik-Panorama mit seinen widerstreitenden Interessen und schillernden Akteuren bildete die siebzehnfach besiegelte "Wiener Congreß-Acte" vom 8. Juni 1815. Das Land Braunschweig spielte bei den Verhandlungen jedoch kaum eine Rolle. Diese Perspektive konnte im Sommer 2015 die Ausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum zu Herzog Friedrich Wilhelm bestens ergänzen. Nach etwas Lustwandeln im Parkareal und einem sorgfältig arrangierten Gruppenfoto erreichten wir das Obere Belvedere, das nicht nur ein wohl bekanntes Stadtpanorama bietet, sondern in seiner Österreichischen Galerie auch eine große Sammlung von Frauenportraits und Landschaftsbildern des Jugendstilmalers Gustav Klimt. Den unmittelbaren Eindruck von Klimts Meisterwerk "Der Kuss" ließ ein Großteils der Gruppe im Bistro auf der Schlossterrasse nachwirken, bevor es Zeit für persönliche Programmgestaltung gab.

5. Tag

Trotz Check-Out machten wir uns am Abreistag den 1. Mai noch einmal auf den Weg und besuchten über den Naschmarkt hinweg die Karlskirche, die Karl VI. 1713 gestiftet hatte. Der konkrete Baubeginn erfolgte jedoch erst im Herbst 1715, gerade zu der Zeit, als sich für das Kaiserpaar ein Thronfolger anzukündigen schien. Der große Aufzug, der im Kirchenraum die barocke Prunkentfaltung einschränkt, andererseits aber ein grandioses Stadtpanorama bietet und das Werk der Deckenfreskanten fast hautnah erleben lässt, löste auch in unserer Gruppe Diskussionen aus. Direkt an unserem Rückweg lag der "Krautwickel", die goldene Kuppel des Sezessionsgebäudes von 1898, das sich auf jeder österreichischen 50 Cent-Münze in Erinnerung rufen lässt. Nach glücklicherweise nur kurzfristiger Wartezeit auf den örtlichen Busunternehmer gelangten wir ganz im Zeitplan zum Flughafen Wien Schwechat und konnten schließlich noch bei vollem Tageslicht unsere heimatlichen Stationen erreichen.

Alle Fotos: Dr. Klössel-Luckhardt